Liebes Tagebuch,
heute war ich wieder arbeiten.
Ich wollte nicht, aber Basti hat mich gezwungen. Er meinte auf dem Sofa sitzen und aus dem Fenster starren würde mir nicht helfen. Selbst Sarah (die von Basti ohne mein Wissen eingeladen wurde) konnte meine Laune nicht bessern.
Doch zu arbeiten fällt mir wirklich schwer. Bei jedem Patienten denke ich nun: „Ist das eine gefährliche Sache? Ist mein Patient eine Gefahr für sich oder andere? Muss ich etwas tun?“ Ich sehe überall Gefahren.
Ein Patient hat mir heute erzählt, dass sein Nervenkostüm momentan sehr dünn ist und seine Kinder ihm beim Homeoffice tierisch auf die Nerven gehen.
Ich habe ihn daraufhin ganz direkt gefragt, ob er es dann nicht sinnvoller finden würde, wenn seine Frau mit den Kindern für eine Weile zu Verwandten oder Freunden ziehen würde, damit er seine Ruhe hätte und alle in Sicherheit wären.
Daraufhin wollte er wissen, was ich denn mit „in Sicherheit“ meinen würde.
Ich erklärte ihm, dass ich mir Sorgen machen würde, dass er eventuell seiner Familie wehtun könnte, wenn er so angespannt sei.
Er hat mich zuerst total geschockt angeschaut und dann ist sehr sehr deutlich geworden: „Wenn Sie wirklich meinen, dass ich, egal wie sehr sie mich nerven, meiner Familie jemals Schaden zufügen würde, dann kennen Sie mich überhaupt nicht und dann sollte ich mir wahrscheinlich ernsthaft überlegen, ob Sie die richtige Therapeutin für mich sind. Wir kennen uns nun schon über ein Jahr und sie trauen mir entshaft so etwas zu? Ich will ganz ehrlich sein, dass schockiert mich!“
Er hat völlig Recht. Er ist ein liebevoller Vater und Ehemann. Niemals hat er auch nur ein kleines Anzeichen von Gewaltbereitschaft gezeigt. Ich sehe überall nur noch Probleme. Er ist bei mir, weil er nicht weiß, wie er sich beruflich weiterentwicklen will, ob Karriere oder Familie oder, ob beides geht. Ob er Job der richtige ist oder ein totaler Wechsel gut wäre.
Ich habe mich bei ihm für meine unangemessenen Fragen entschuldigt und ihm versichert, dass ich nicht glaube, dass er eine Gefahr für seine Familie darstellen würde, ich aber glaube, dass er Ruhe braucht und so ein Kurzurlaub von der Familie, dabei helfen könnte.
Er meinte, er würde darüber nachdenken, aber seine Familie um ihn herum würde ihm gut tun. Das sie ihn erden würden.
Anschließend haben wir über seinen Job geredet und es scheint für ihn immer deutlicher zu werden, dass ein Wechsel unausweichlich ist.
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