Liebes Tagebuch,
mir geht es nicht gut. Das liegt aber nicht daran, dass ich einen Kater von gestern habe…sondern an den Geschehnissen von gestern.
Ich bin ja gestern mit Sarah ausgegangen. Der Plan war erst nett etwas zu essen und uns dann irgendwo besaufen.
So fing es auch an. Wir waren richtig lecker im Bremer Viertel im Bellini essen (und bereits reichlich trinken) und sind dann weiter. Um ehrlich zu sein kann ich nicht mehr wirklich sagen, wo wir dann waren und ob wir noch darauf geachtet haben, ob es Corona Beschränkungen gab (eigentlich wollte ich ja nur in Kneipen, die mindestens 3G haben). Am Anfang war auch alles wirklich lustig. Wir haben über Gott und die Welt gequatscht und unglaublich viel gelacht. Dann waren wir in einer Kneipe, die bereits ziemlich voll war. Deshalb haben wir uns einfach an einen Tisch mit dazu gestellt. Die beiden Typen, denen der Tisch eigentlich „gehörte“ schien das nicht zu stören und ich glaube, wir waren auch schon zu betrunken, als dass uns das wirklich gestört hätte. Wir kamen dann mit den beiden ins Gespräch und jeder von uns schmiss einmal eine Runde. Doch dann ging einer der beiden auf die Toilette und Sarah musste plötzlich auch. Ich und der andere Typ blieben, bestellten noch eine Runde und quatschten weiter. Irgendwann merkte ich, dass Sarah schon eine ganze Weile weg war und begann mir Sorgen zu machen. Ich wollte daher einmal auf dem Klo nach Sarah schauen und gucken, ob sie vielleicht Hilfe braucht (bin davon ausgegangen, dass sie wahrscheinlich am Kotzen ist). Mein Saufpartner versuchte mich abzuhalten und meinte, den beiden würde es sicherlich schon gut gehen und würden bestimmt nicht gerne gestört werden. Ich kapierte nicht, was er damit meinte und erklärte ihm, dass eine Freundin einer Freundin in jeder Situation zu helfen hätte (ja, ich war ziemlich betrunken). Ich ging (oder schwankte eher) also in Richtung Toiletten. In meinem Zustand war die Treppe, runter in den Keller, eine ziemlich Herausforderung. Unten heile angekommen hörte ich bereits seltsame Laute. Noch konnte ich sie in meinem vernebelten Kopf nicht richtig zuordnen und ging daher ohne zu zögern durch die Tür der Damentoilette.
Kaum hatte ich die Tür geöffnet wurde mir schlagartig bewusst, was das für Laute waren, was mein Saufpartner gemeint hatte und dass Sarah wohl nicht meine Hilfe braucht. Ich war fassungslos. Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Ich weiß nicht, wie lange ich noch dastand und den Treiben zuhörte. Doch irgendwann erwachte ich aus meine Schockstarre und sage, wahrscheinlich deutlich zu laut,: „Sarah, ich glaube ich gehe jetzt nach Hause. Du scheinst ja anderweitig beschäftigt zu sein.“ Daraufhin wurde es in der Toilettenkabine schlagartig still und ich stürmte nach draußen.
Sarah hat bereits mehrfach versucht mich anzurufen und mich mit Textnachrichten geradezu bombardiert. Aber ich habe gerade überhaupt keine Lust mit ihr zu sprechen. Vielleicht bin ich da ein kleiner Moralapostel und ja, ich weiß, ich bin nicht immer ehrlich mit Basti. Doch das betrifft nur meine Vergangenheit. Meine wahre Identität. Was unsere Beziehung angeht bin ich immer völlig ehrlich zu ihm! Ich verstehe ja auch, dass Sarah gerade nicht glücklich ist in ihrer Beziehung. Doch genau das ist der Punkt: Sie ist noch in einer Beziehung! Das bedeutet, dass man nicht einfach mit dem nächstbesten Typen auf dem Kneipenklo verschwindet.
Keine Ahnung, wie es weitergehen soll, aber ich werde sicherlich in den nächsten Tagen mit Sarah reden müssen. Sie ist schließlich meine beste Freundin und das wird sich auch nach einer solchen blöden Aktion nicht ändern. Aber jetzt gerade bin ich zu wütend und zu enttäuscht. Ich kann jetzt nicht mit ihr reden.