Liebes Tagebuch,
heute war auf der Arbeit wieder ein Tag zum Abgewöhnen.
Alle Geschichten waren einfach nur langweilig…besonders nervt mich die Frau…nennen wir sie Tina…die sich einfach nicht gegen ihre Mutter durchsetzten kann. Sie wohnen sogar zusammen und bei jeder Sitzung geht es nur immer: „Meine Mutter hier“ und „Meine Mutter da“. Aber gleichzeitig will sie nichts ändern. Will sie ausziehen? Nein, dass kann sie ihrer Mutter nicht antun. Will sie eine Beziehung? Nein, dass ist ja nicht möglich, schließlich kümmere ich mich die ganze Zeit um meine Mutter. Dabei muss man anmerken, dass die Mutter Ende 60 ist. Also kann sie noch sehr gut für sich selber sorgen. Seit Wochen reden wir jedes Mal über genau das gleiche und es gibt einfach keine Bewegung. Es gibt aber auch keinerlei Bereitschaft sich zu bewegen.
Die Frau schafft mich. Ich habe das Gefühl, sie kommt nur zu mir, weil sie jammern will. Sie lädt ihren Mist bei mir ab um dann nach Hause zu Mama zu gehen und sich neu mit Mist zu befüllen. Ein stetiger Kreislauf. Das wäre ja OK für mich, ist ja irgendwie mein Beruf, aber nur, wenn ich das Gefühl hätte, dass ihr das irgendwie hilft. Habe ich aber nicht. Wenn du fühlen könntest, liebes Tagebuch, würdest du dich bei mir vielleicht manchmal auch so fühlen, wie ich mich heute. Aber ich suche, im Gegensatz zu Tina, ja eigentlich keine Lösungen für meine Probleme, eigentlich ist das Tagebuch schreiben ja eher ein Stressabbau und nun auch eine Dokumentation meines Aufenthaltes auf der Erde.
Die anderen Patienten haben auch nicht mehr „Spaß“ gemacht.
Alles einfach nervig, ich bin froh, dass dieser Tag vorbei ist. Ich muss dringend meine Termine besser mischen. Etwas spannendes, etwas, bei dem ich wirklich helfen kann und langweilige Termine, bei denen ich nur zuhören und nicken muss.
Morgen kommt Tobi wieder. Ich habe mir schon etwas neues für seine „Abhärtung“ überlegt. Bei ihm habe ich wenigstens das Gefühl wirklich helfen zu können.