Tagebucheintrag 21

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Liebes Tagebuch,

ich weiß, ich habe dir sehr lange nicht mehr geschrieben. Basti ist es leider auch aufgefallen und ich wurde wieder „ermahnt“. Naja, aber ich habe ja einen guten Grund. Ich war einfach viel zu sehr beschäftigt. Ich versuche noch immer meine Patientin zu retten. Ich hatte heute noch eine Sitzung mit ihr und wollte mich gut darauf vorbereiten.

Leider hilft da keines meiner Bücher. Daher bin ich selbst zu einem (echten) Lebenscoach und habe mich beraten lassen. Also ich habe getan, als wäre ich meine Patientin (Tänzerin im Körper einer Kassiererin). So wirklich hat es mir aber nicht weiter geholfen. Ich war ehrlich gesagt sogar bei insgesamt 3 verschiedenen Beratungen. Der erste war begeistert von meinem Plan, er hätte sich wohl immer etwas ähnliches für sein Leben gewünscht. Der zweite hat mich einfach die ganze Zeit reden lassen. Von ihm selbst kam nichts. Als ich ihn darauf ansprach meinte er nur, er müsste mich erst besser kennen lernen und schlug mir direkt ein Jahresabo für 2 Sitzungen im Monat vor. Der dritte hörte zu, nickte viel und stellte Fragen: ob es in letzter Zeit einen anderen großen Umbruch in meinem Leben gegeben hätte, ob meine Eltern schon von meinen Plänen wüssten und ob ich wissen würde, wo es gute, freie Wohnungen in Bremen Sebaldsbrück geben würde (bei der letzten Frage hatte ich dann doch das Gefühl, dass es da nicht mehr wirklich um mich und meine Probleme gehen würde). Alles insgesamt also eher ein Reinfall.

Dann kam die Sitzung mit meiner Patientin: Zu meiner großen Überraschung lief es komplett anders als erwartet. Sie hatte wohl schon ein paar Termine, bei denen sie vortanzen sollte. Sie wurde nie genommen. Im Gegenteil, bei einigen dieser Termine wurde sie ausgelacht und/oder es wurde ihr ganz deutlich gesagt, dass sie völlig talentfrei sei. Anscheinend sind Tänzer deutlich ehrlicher als Therapeuten. Sie saß dann also bei mir in der Praxis und weinte sich die Seele aus dem Leib. Sie meinte, die Welt wäre gegen sie und alle würden ihr Talent übersehen. Ich hatte schon Angst, dass sie es weiter probieren würde. Doch sie sagte, dass die Welt es dann eben auch nicht verdient hätte sie tanzen zu sehen. Es wäre schließlich nicht ihr Verlust. Es wäre der Verlust der Welt. Die Welt würde es versäumen eine „Tanzoffenbarung“ zu erleben. Aber sie wäre nicht bereit sich aufzudrängen und würde dann eben nur noch für sich tanzen. Sie hätte bereits ihren alten Chef angerufen und er war bereit sie wieder einzustellen. Der Mann ist damit mein offizieller Held der Woche!

Nun ja, zum Glück ist alles noch einmal gut gegangen. Leider habe ich noch immer nicht herausbekommen, wie ich meiner Patientin, bloß zu diesem Desaster geraten haben soll.